Irgendwann, heute um 11 Uhr, konnte ich nicht mehr einfach herumsitzen und via Facebook oder Twitter die Ereignisse verfolgen rund um die Massen an Asylsuchenden Menschen, die Ungarn verlassen wollen. Nichts wie raus aus Ungarn wollen sie, weil mein Ungarn, das mir eine zweite Heimat geworden ist, flüchtenden Menschen kein Schutz ist. Ganz im Gegenteil. Medien berichteten von Polizisten, die Flüchtlinge schlagen, ja sogar bestehlen und von Hooligans, die am Bahnhof in Budapest Flüchtlinge zusammenschlagen und ihnen drohen.
Also bin auch ich, derzeit ja in Ungarn auf Urlaub, heute auf nach Nickelsdorf, das Auto vollbepackt mit Wasser, Fruchtsäften, Brot, Hummus, Käse, Schokolade, Hygieneartikel und Langarmshirts für Kinder.
Vorgefunden habe ich erschöpfte, aber glückliche Flüchtlinge, die sich kurz ausrasten konnten und auf den Zug nach Wien warteten. Eine Heerschar an freiwilligen, privaten Helferinnen, die ohne einem „Oberkoordinator“ überrascht gut organisiert waren. Aber ich traf auch launenhafte, die freiwilligen Helferinnen verhöhnende Polizisten, sowie einen ebenfalls pöbelnden ÖBB-Angestellten. Überhaupt war dieser Unterschied für mich erschreckend und präsent. Den vielen engagierten freiwilligen Helferinnen, die guter Stimmung waren, bei jedem ankommenden Bus klatschten und sich mit den flüchtenden Menschen freuten, standen miesmutige und grantelnde Staatsdiener und ÖBB-ler (allesamt für ihre Arbeit bezahlt) gegenüber. Shame on you!!!!!
Aber nun zurück zum Positiven: Vor Ort waren (ich bin um etwa 17 Uhr abgereist) ausreichend Helferinnen und die Lager für Hilfsgüter sind voll. Wer weiterhin Hilfsgüter bringen will, besonders gefragt war heute stilles Mineralwasser, Weißbrot, Obst, Fischkonserven, Streichkäse, Hummus, Schokolade, Fruchtsaft ohne Kohlensäure, Rasierschaum und Einmalrasierer, Feuchttücher, Kindersocken, Langarmshirt für Kinder, Pullover, Schuhe und Cola. Achja, und Seifenblasen kommen bei Kinder voll gut an! Dringend brauchen würde es Taschen, Sackerl und Rucksäcke! Die Flüchtlinge hatten teilweise viel in Händen, konnten das aber nirgends einpacken und tragen!
Berührt haben mich die vielen Gesichter, in deren Augen man lesen konnte, dass sie irgendwie gar nicht glauben konnten nun freundlich behandelt zu werden. Ins Herz ging mir das demütige Senken des Kopfes vieler Flüchtlinge, als sie Brot oder Wasser überreicht bekamen und auch das dankende Ablehnen, weil sie bereits genug hatten oder satt waren. Kein Raffen, keine Gier war zu sehen. Und immer wieder hörte man „Thank you“ oder auch ein schüchternes und holpriges „Dankeschön“ von Erwachsenen, wie von kleinen Kindern. Berührt haben mich die unzähligen strahlenden Kinderaugen und ich hoffe von ganzem Herzen, dass diese Kinder alle in eine glücklich Zukunft fahren. Berührend war zu sehen, wie sich die Flüchtlinge untereinander helfen, wie sie Hilfsgüter untereinander teilten, wie manche flüchtenden Männer nicht sofort mit dem Zug weiter fuhren, sondern in Nickelsdorf blieben und uns beim Verteilen der Lebensmittel halfen, stolz darauf auch etwas beitragen zu können.
Es war toll mit vielen Menschen zusammenzuarbeiten, die ich nie zuvor gesehen habe. Danke an Euch alle, die ihr mit mir zusammen heute Nachmittag Brote gestrichen, Jausensackerl gefüllt und verteilt habt. Danke für Euer Engagement und Eure tolle positive Energie!
Fotos habe ich, bis auf die beiden, keine gemacht. Es war keine Zeit dafür und ehrlich gesagt, war mir auch nicht danach. Ich nehme diesen Tag in meinem Herzen und meinen Gedanken mit in mein weiteres Leben.
Refugees welcome.
rochus gratzfeld meint
Danke für den tollen, motivierenden wie bedrückenden Bericht. Du hast aus Respekt fast keine Fotos gemacht, ich hätte aus Respekt viele Fotos gemacht. Du hast geholfen, während ich die Hunde hütete. Dieses Thema wird dich, uns, die Gesellschaft noch lange beschäftigen. Und ich hoffe sehr, dass ein Wandel in den Sichtweisen nicht nur kurzfristig eingetreten ist.