Sie sind GerontoWAS? So oder so ähnlich sind meistens die Reaktionen, wenn ich mich irgendwo vorstelle und meinen Beruf nenne. Ich bin Alterswissenschaftlerin, auch Gerontologin genannt.
Die Gerontologie ist die Wissenschaft vom Altern des Menschen. Es handelt sich um ein interdisziplinäres Fach, Altern ist eine Querschnittsmaterie. Das Altern der Menschen und der Gesellschaft berührt fast jede wissenschaftliche Disziplin, alle Bereiche des Lebens und die meisten Berufe. Sicher, in der Regel wird es diskutiert in Zusammenhang mit dem Pensionssystem, mit den Themen Pflege und Medizin. Und meistens geht es irgendwie um Kosten, darum, dass wir uns das alles angeblich bald nicht mehr leisten können. Das Älterwerden unserer Gesellschaft wird vorwiegend als Problem diskutiert. Und persönlich, naja, wer wird schon gerne alt? Wer begrüßt seine Falten schon mit Begeisterung? Altern als berufliches Thema ist daher für die meisten nicht gerade sexy. Aber ich bin begeisterte Gerontologin und liebe die Vielfalt meiner Arbeit.
Das Altern, gesellschaftlich wie individuell, sollte (ich sage sollte, weil es viele noch nicht tun!) alle beschäftigen, die ältere oder alte Menschen als KundInnen haben oder eine Welt gestalten, in der sich alte Menschen bewegen.
Zwei Beispiele:
Alte Menschen können Tetraverpackungen oft nicht öffnen, weil die Kraft in den Fingern weniger geworden ist. Deshalb verzichten sie oft notgedrungen darauf Milch oder Fruchtsäfte zu trinken. Kluge SaftproduzentInnen, denen die steigenden Zahlen älterer KundInnen bewusst sind, würden eine Gerontologin holen oder alte Menschen als TesterInnen. Das könnte helfen ältere KundInnen zufriedenzustellen und die Umsätze zu steigern.
Zu den heikelsten Momenten im Leben alter Menschen gehört der Tag an denen ihnen jemand sagt, sie müssten jetzt einen Gehstock oder einen Rollator verwenden. Alte Menschen hassen diesen Moment. Und diese Hilfsmittel sind dann auch alle noch potthässlich! Als Gerontologin kann ich einfach nicht verstehen, warum ein Rollator nicht stylish sein kann. Wenn ich schon mit einem Rollator rumfahren muss, dann bitte einen in barbierosa, ferrarirot oder grasgrün. So wird ein Hilfsmittel zum Accessoire! Wenn das schon niemand aus dem Fachbereich Design kapiert, dann bitte fragt doch mich als Gerontologin!
Ältere und alte Menschen sind mittlerweile überall präsent und zwar nicht mehr vereinzelt, sondern es sind viele! Und täglich werden es mehr. Ob im Supermarkt oder im Unterwäschegeschäft, ob in der Bahn oder im Flugzeug, ob in der Sauna oder im Fitnessladen, ob im Krankenhaus oder beim Facharzt. Sie sind überall. Ältere Menschen sind in fast allen Branchen KundInnen, konsumieren Dienstleistungen und Produkte. Vielfach werden sie allerdings mit ihren Bedürfnissen und Vorstellungen nicht wahrgenommen, ja sogar schlichtweg ignoriert.
Auch das ist ein Grund, warum ich mich entschieden haben den Blog VielFalten aufzubauen. Hier kann ich schimpfen, loben, klagen, aufzeigen und Ideen vorbringen, wie etwa den barbierosaroten Rollator. Und wer weiß, vielleicht liest das ja so ganz zufällig auch einmal eine RollatorendesignerIn. Hoffentlich!!
Gertrud M. meint
Du wirst lachen :-) das habe ich neulich einem verständnislos dreinblickenden KH Bedarf Vertreter gesagt. Das mit den Farben :-D
Sonja Schiff meint
du bist ja auch eine sehr Gscheite!