Kurz vor Weihnachten wurde bei mir ein Eierstocktumor diagnostiziert. Am liebsten wäre mir damals gewesen, die Ärzte hätten mir sofort und auf der Stelle diesen Feind, diesen angsteinflößenden Fremdkörper, rausgeschnitten. Doch zu meinem Entsetzen bekam ich einen Operationstermin Mitte Jänner, 24 Tage später. Über drei Wochen warten? Wie sollte ich diese lange Zeit ertragen? Was tun mit der großen Angst? Wie umgehen mit so viel Ungewissheit? Und dann auch noch der Jahreswechsel! Wie sollte ich mit einem unbekannten Tumor positiv in ein neues Jahr gehen? Ich war verzweifelt. Aber jetzt, kurz vor der Operation, stelle ich fest: Es war gut Zeit zu haben. Zeit, um zu verarbeiten. Zeit, um alle Informationen einzuholen. Zeit, um mich zu wappnen und mich vorzubereiten auf die Operation.
„Sie haben einen Ovarialtumor. So groß wie eine Orange“, meinte am 22. Dezember meine Frauenärztin während der Ultraschalluntersuchung. Mein Herz machte einen heftigen Sprung und eine Hitzewelle durchfuhr mich von den Zehen bis zu den Haarwurzeln. Heftig atmend stellte ich die Frage „Gutartig oder bösartig?“, worauf meine Ärztin antwortete: „Das kann nur eine Operation klären. Jeder Tumor kann beides sein.“ Sie erklärte mir, dass mein tumoröser Eierstock mit Bauchschnitt rausgeholt, histologisch untersucht wird und dann entscheidet sich, ob ich wieder „zugemacht werde“ und alles ist gut oder ob alles Weibliche aus mir rausgeholt wird, samt Lymphknoten und vorhandener Metastasen. Bereits 30 Minuten später saß ich dem Oberarzt der Frauenklinik gegenüber, erhielt umfassende Erklärungen zu Diagnostik, Operation, sowie meinen Operationstermin: 16. Jänner 2018. Weitere 15 Minuten später saß ich zu Hause, rief meine Geschäftspartnerin an, um ihr pflichtbewusst die zeitlichen Änderungen in unserer Zusammenarbeit mitzuteilen. Dabei nahm ich das erste Mal das Wort „Ovarialtumor“ in den Mund und wurde überrascht von einem plötzlichen Weinkrampf verbunden mit einem langen kehligen Schrei aus den Tiefen meiner Seele. Rasch legte ich den Hörer auf. Der Schrei schien kein Ende zu nehmen. Schockzustand. Stundenlang.
Mittlerweile sind mehr als zwei Wochen um, ich stehe kurz vor der geplanten Operation. Die lähmende Angst ist Vergangenheit. Ich gehe gewappnet und zuversichtlich in die nächsten Tage und Operation. Alle Eventualitäten, alle Möglichkeiten sind durchgedacht. Ich weiß was alles kommen kann. Aber ich bin sehr zuversichtlich, dass mein Tumor gutartig ist. Oder sich in einem Anfangsstadium befindet und ich ihn gut bewältigen werden. Ich spüre Ruhe. Alles wird gut.
Dazwischen liegen Tage voller Höhen und Tiefen. Ich habe, gemeinsam mit meinem Mann, wohl das intensivste, aber auch traurigste Weihnachtsfest meines Lebens gefeiert. Ich habe gehofft, gehadert und geweint (auch mit meinem Mann). Über die Weihnachtstage und den Jahreswechsel war mein möglicher Abschied vom Leben sehr präsent. Mich hat die Frage beschäftigt, was ich noch alles erleben und erledigen möchte vor meinem vermeintlichen Sterben. Ich habe mich gefragt, ob ich den Mut haben würde auf eine Chemotherapie zu verzichten, wenn meine Überlebenschance gering wären. Ob ich das Leben loslassen und Qualität einer Quantität vorziehen könnte. Der Gedanke, wie ich mich verabschieden würde von der Welt, war immer dabei und ich habe Witze gemacht, die meinem Mann im Halse stecken geblieben sind, etwa „Ich kann ja gar nicht sterben, Du kannst ja immer noch nicht ordentlich den Kleiderschrank einräumen. Was denkt sich denn da die nächste Frau?“ Skurril, ich weiß. Mein Mann hat auch nicht wirklich gelacht.
Als Krankenschwester (erlernt vor einer halben Ewigkeit) mit onkologischer Berufserfahrung, konnte ich einen potentiellen bösartigen, ja vielleicht sogar tödlichen Ovarialtumor nicht beiseite schieben. Unmöglich! Im Gegenteil, mich damit auseinanderzusetzen, auch dramatischen Gedanken nachzugehen, meiner größten Angst ins Auge zu blicken, hat mir das Gefühl gegeben ein Stück die Kontrolle zu behalten. Ich möchte nicht im geschwächten Zustand nach der Operation ins Endlose fallen. Ich will auch dann kraftvoll sein, wenn ich schlechte Nachrichten bekomme.
Kurz nach Weihnachten habe ich meinen Tumor dann gemalt. Ein Schritt der viel verändert hat, weil mein Tumor irgendwie greifbar wurde für mich. Zu meiner Überraschung war er bunt! Dadurch verlor er ein Stück weit seinen Schrecken und ein Funken Zuversicht keimte auf.
Silvester und Neujahr noch einmal ein Aufbäumen von Traurigkeit und Angst. Aber danach nahm ich mein Leben wieder in die Hand. Ich habe mich allen Fragen und allen Gedanken gestellt, bin jedem Impuls nachgegangen, und wenn er noch so schräg oder gar weit hergeholt erschien. Ich habe mir jeden Gedanken erlaubt. Die Frage, die mich trieb war: „Was muss ich alles wissen und durchdenken, damit ich gut und vertrauensvoll in die Operation gehen kann.“
Ich klärte mit meiner Krankenversicherung alle meine Ansprüche und für alle Perspektiven ab, also für den Fall eines gutartigen Tumors ebenso, wie für den Fall eines bösartigen Tumors und der Notwendigkeit einer Chemotherapie. Das gleiche tat ich mit meiner Betriebsunterbrechnungs-Versicherung, denn es geht bei mir als Selbständige auch ums wirtschaftliches Überleben in diesem Krankheitsfall. Ich informierte mich über Chemotherapien bei Ovarialtumoren und deren Nebenwirkungen. Ich beschäftigte mich mit der Frage, wie ich mit dem Verlust meiner Haare umgehen würde und habe dafür meinen Weg gefunden. Ich nahm Freunden und Familienmitgliedern das Versprechen ab, sich gut um meinen Mann zu kümmern und meinem Mann, dass er meine Eltern nicht alleine lässt, sollte der Tumor bösartig sein und meine Prognose schlecht. Ich rief sogar bei der Pensionsversicherung an und erkundigte mich um den Anspruch auf Witwerpension für meinen Mann. Für den Fall des Falles. Das Aufsetzen eines Testamentes rundete meine Maßnahmen ab und auch Überlegungen wo ich begraben werden will.
Viele dieser Klärungen mögen für Außenstehende völlig überzogen sein. Immerhin steht meine Chance ja 50:50, dass der Tumor gutartig ist. Für mich aber war jeder einzelne dieser Schritte, jede Überlegung, jeder Gedanke wichtig. Jetzt bin ich ruhig. Alles ist getan. Alles kann passieren. Ich bin bereit.
Die letzten Tage fokussiere ich mich auf die entscheidende Operation, am 16. Jänner ist es so weit. Ich höre in mich hinein, richte mich immer mehr nach innen, visualisiere mir ein positives Aufwachen nach der OP, rede mit meinem tumorösen Eierstock und bereite meinen Bauch mit Eincremen auf den Bauchschnitt vor. Außerdem verbringe ich viel Zeit mit meinem wunderbaren Mann, dem ich sehr dankbar bin dafür, dass ich sein durfte mit allen Gedanken und er auch seine Gefühle nicht versteckt hat. Selbst in dieser Situation sind wir ein DreamTeam!
Ich bedanke mich bei allen FreundInnen und LeserInnen, die mich mit Kommentaren und Nachrichten oder Telefonaten begleitet haben. Euer Zuspruch hat mir gut getan, er hat mich stark gemacht. DANKE!
Wir lesen und hören uns wieder!
Stay strong and healthy!
suzie meint
ich wünsche dir alles gute für die OP, und natürlich ein gutes histologisches ergebnis. ich kenne dieses warten und kann deine schritte gut nachvollziehen. postalische umarmung!
suzie
Sonja meint
danke Ilse!
Sabine Kristmann-Gros meint
Alles Gute weiterhin für dich ❤🍀
Sonja meint
danke sabine!
Mirjam meint
ich bete dass alles gut läuft und du ohne Angst in die OP gehen kannst! !
God bless you
Sonja meint
danke mirjam!
dieschattentaucherin meint
Hallo, liebe Sonja,
ich wäre vermutlich anders an die Sache herangegangen, weil ich mir – trotz oder vielleicht auch wegen meiner Erkrankung – immer denke „wart erstmal ab, ob’s wirklich was Schlimmes ist – Sorgen machen kannst Du Dir dann immer noch!“, kann Dich aber dennoch gut verstehen.
Es ist enorm wichtig, finde ich, in belastenden Situationen alle Gedanken zuzulassen, die sich dazu melden – auch solche, die andere Menschen vielleicht schräg finden. Und wenn es Dir hilft, auf alle Eventualitäten vorbereitet zu sein, dann ist das richtig so.
Ich wünsch Dir alles Gute für Deine OP.
Wir lesen uns! :-)
Sonja meint
Hallo Du Liebe, jeder geht anders mit so einer Situation um. All die Tage habe ich mich schon auch gefragt, was ich mir da grad selber antue. Warum ich nicht einfach mit all den schweren Gedanken warte bis die Situation wirklich eingetreten
ist. Ich kam mir schon auch seltsam damit vor und in meinem Bekanntenkreis meinte jemand,
ich hätte einen Hang zu Masochismus 😊 Aber die schweren und bedrohlichen Gedanken waren da, ließen sich nicht abstellen. Also musste ich damit umgehen und das war dann mein Weg. Lieben und DANKE! Gruß!
Claudia kanz meint
Liebe Sonja, alles wird gut, egal was rauskommt.
Ein Tumor bedeutet heutzutage nicht mehr das Schlimmste. Es ist eine scheiss Krankheit, aber die Ärzte kennen den Feind immer besser. Egal was rauskommt. Gutartig oder bösartig, es ist zu schaffen.
Ich bin immer wieder von deiner selbsreflektierten Herangehensweise begeistert. Es ist verdammt mutig sich allen Eventualitäten so intensiv zu stellen. Eine Mindmap für alle Abzweigungen zu haben, die das Leben jetzt nehmen kann.
Ich bin gespannt, was du im Rückblick auf diese Zeit dann erzählen wirst.
An alle Leser_innen:
Am 16. denken wir an Sonja, immer mit einem Lächeln und dem Gedanken: Alles ist gut!
Sonja meint
Danke Claudia! Im Rückblick wird diese Zeit auf alle Fälle eine Zäsur darstellen. Mein Blick aufs Leben und die Zukunft hat sich jetzt schon geändert. Bussal! Und danke noch einmal für das eine Gespräch! Das war sehr wichtig für mich!
Gabriele Drossos meint
Alles alles Gute – nicht nur morgen denke ich ganz ganz fest anDich und das OP-Team! Alles ist gut!
Denise Kaufmann meint
LIebe Sonja
Bin mit meinen Gedanken sehr viel bei dir. Alles Liebe und Gute. VIel viel gute Energie